Badische Neueste Nachrichten 23.5.16
Wenn Töne mit Farben korrespondieren
„The Scriabin Code“ brachten im Badischen Staatstheater Jazz und Klassik zusammen
Zum hundertsten Todestag des russischen Pianisten und Komponisten Alexander Nikolajewitsch Skrjabin dachte sich ein Ensemble um den Mannheimer Klarinettisten Martin Albrecht 2015 etwas ganz Besonderes aus: Das Ensemble greift in einer musikalischen Korrespondenz die Ideen der klassischen Vorlage auf, entschlüsselt die Klänge, denkt sie weiter und verwandelt sie in Neues. Außerdem war der 1872 geborene Musiker wie Jimi Hendrix Synästhet, das heißt Töne beziehungsweise Tonarten waren spezifischen Farbwahrnehmungen verknüpft. Bei der zehnten Jazznight im Kleinen Haus des Badischen Staatstheaters wurden die Töne daher durch den Videokünstler Reinhard Geller in ansprechende Farbspiele übersetzt.
Das „The Scriabin Code“ genannte Quintett hatte außerdem mit Asli Kilic und Daniel Prandl zwei Pianisten aufzuweisen, eine klassische und einen jazzigen. Martin Albrecht spielte Klarinette und Bassklarinette, Katharina Groß Kontrabass und Dirik Schilgen Schlagzeug. Oft spielte Asli Kilic vor oder nach einer jazzigen Version eines Skrjabin-Stücks die Originalversion. Am beeindruckendsten war aber ihr viertelstündiges Rezital, in dem sie auch unkundigen Hörern die Original- Musik Skrjabins näherbrachte. So hatte das Konzert für Klassik- und Jazzfans, die neuen Einflüssen gegenüber offen sind, immer für beide etwas parat, und riss jeweils das andere Lager mit. Leider wirkte der Applaus zwischen den Stücken immer unentschlossen, unsicher und halbherzig, da „Jazzer“ dort klatschen, wo „Klassiker“ es nicht tun, da sie immer gleich den nächsten Satz vermuten, und beide sich hier gegenseitig beeinflussen. Das entbehrte nicht einer gewissen Komik. „ Die Polarität zwischen sehr energiegeladenen Basslinien und einer wunderschönen Melodieführung“, die die Kontrabassistin an der Musik Skrjabins begeistert, kam etwa in dem rhythmisch mitreissenden „Schizophrenie“ von Martin Albrecht oder Skrjabins „Vers la flamme“ zum Tragen. „Lichtstimmen“, die Skrjabin in seine Werke hineinkomponierte, können erst heute, durch die Techniken der Jetztzeit von Reinhard Geller sichtbar gemacht werden. Rhythmisch äußerst Verschachteltes, leichte Elektronik, Jazz und der Bombast von Poeme de l´Ex-
tase“, zu dem der Komponist sogar ein Gedicht verfasste, korrespondierten miteinander und machten das Konzert zu einem grandiosen Ereignis.
Peter Bastian
Badische Neueste Nachrichten, 23.05.2016, Peter Bastian
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